Ich habe heute bei 16bars.de ein Interview mit Azad gesehen. Er bezeichnet sich darin als besten deutschen Rapper – auch wenn viele das noch nicht anzuerkennen bereit seien. Mal ganz davon abgesehen, dass Kool Savas jetzt irgendwo mit hochrotem Kopf vor seinem Macbook sitzt und wahrscheinlich die nächsten drei Nächte vor Wut nicht schlafen kann: Ich habe mich mal gefragt, was hinter dieser Aussage stecken könnte.
Klar ist: Was Flow und Technik angeht, gehört Azad zum alten Eisen. Das ist nicht weiter schlimm. Bei Samy Deluxe ist es schlimm, weil sein Rap immer sehr technikbasiert war und er in dieser Hinsicht einfach nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Über seine Doubletimes, die 2000 alle vom Hocker gehauen haben, kann heute nur noch gelächelt werden. Aber Azad hatte noch nie den besten Flow, insofern war das für seinen Status in der Szene auch nie ausschlaggebend.
Wieso also ist Azad der beste Rapper? Weil er die Rap-Szene geprägt hat wie wenige? Ich finde, dass das nicht entscheidend sein darf. Zumal nicht bei einem Rapper, der noch immer aktiv mitmischt. Er muss sich an dem messen lassen, was state of the art ist.
Es gibt gleichwohl einen Aspekt, in dem ich Azad für unübertroffen halte: Inhaltliche Tiefe, ohne dabei in Abstraktionen und Metaphern abzudriften, wie es etwa Casper tut. (Casper ist dadurch nicht schlecht – im Gegenteil, aber seine Zielgruppe scheint eine ganz andere.) Deepness, dieser Begriff ist etwas aus der Mode gekommen. Aber Azad ist jemand, der genau das verkörpert. Dem Klischee nach ist Rap über Ex-Freundinnen inhaltsschwer und Straßenrap inhaltsleer. In Wirklichkeit beherrschen nur wenige Rapper die Kunst, ihre Texte mit ernsthaften Inhalten zu füllen. Curse konnte das zum Beispiel, ohne dabei immer über das gleiche Thema rappen zu müssen. Katastrophal nach hinten losgegangen ist ein solcher Versuch unlängst bei dem eigentlich sympathischen Eko Fresh. In seinem Lied über Ehrenmord lauten die ersten zwei Zeilen des Refrains: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt / Fick doch auf die Zukunft, denn die Scheiße kennt kein Mensch.“ Vielen Dank für diese tiefsinnige Einsicht.
Azad schreibt deepe Texte. Wer es nicht glaubt, sollte sich zum Beispiel das Klassiker-Album Leben anhören – zeitlos. Aber selbst als Feature-Gast droppt Azad zuweilen in einem Sechzehner mehr knowledge, als andere in ihrer ganzen Karriere. Zum Beispiel auf dem Track Credibil mit den nicht unbedingt hörenswerten Jungs von La Honda. Sein Part beginnt ab 2:30 min. Wer macht derart erwachsenen Straßenrap? Wer kann eine ganze Strophe lang einen solchen Pathos aufrecht erhalten? In dieser Hinsicht ist Azad der beste deutsche Rapper.